Internationale Beziehung (Definition)
Allg.: Das Geflecht der politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und militärischen Beziehungen, wie es in der Zusammenarbeit zwischen den Staaten, den staatlichen und nicht staatlichen Akteuren geformt wird.
Spez.: Teildisziplin der Politikwissenschaft, die sich mit den Bereichen Außenpolitik (einzelner Staaten, z. B. Institutionen und Prozessen der dt. Außenpolitik), internationale Systeme (d. h. das sich aus der Außenpolitik der Staaten ergebende internationale Beziehungsgeflecht) und Internationale Organisationenen (z. B. NATO (Nordatlantikpakt), Vereinte Nationen (UN)) befasst.
Quelle: Schubert, Klaus/Martina Klein: Das Politiklexikon. 7., aktual. u. erw. Aufl. Bonn: Dietz 2020. Lizenzausgabe Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.
Theorien/ Denkschulen der internationalen Politik
Realismus:
- Gegenstand: Der Realismus untersucht die Motive und das Verhalten von Staaten in einem anarchischen internationalen System, in dem es keine zentrale Autorität gibt. Er konzentriert sich auf die Machtpolitik, das Kräftegleichgewicht zwischen Staaten und die strategischen Entscheidungen von Regierungen.
- Hauptannahme: Der Realismus betont den egoistischen und machtorientierten Charakter der internationalen Politik. Staaten streben nach Macht und Sicherheit, und die Weltordnung wird von Anarchie und Konkurrenz geprägt.
- Friedensbetrachtung: Realisten betrachten Frieden als vorübergehenden Zustand, der durch das Kräftegleichgewicht zwischen Staaten oder die Furcht vor Strafe aufrechterhalten wird (Balance of Power).
- Sicherheit: Die Sicherheit wird durch die Sicherung nationaler Interessen und den Aufbau militärischer Stärke gewährleistet. Realisten befürworten Abschreckung und Machtprojektion.
- Konfliktursachen: Konflikte entstehen aus dem Streben nach Macht und Ressourcen sowie aus der unvermeidlichen Rivalität zwischen souveränen Staaten.
- Historische Quellen: Die Wurzeln des Realismus reichen zurück zu klassischen Werken der politischen Philosophie wie Thukydides’ “Der Peloponnesische Krieg” und Machiavellis “Der Fürst” sowie wesentlich Thomas Hobbes “Leviathan”. Diese Werke betonen die Bedeutung von Macht, Interessen und Realpolitik in der internationalen Politik.
- Theoretische Grundlagen: Frühe realistische Theoretiker wie Hans Morgenthau und E.H. Carr haben die Grundlagen des Realismus in ihren Werken wie “Politik als Beruf” und “Die zwanzig Jahre Krise” gelegt.
Idealismus/Liberalismus:
- Gegenstand: Diese Theorien untersuchen die Rolle von Ideen, Normen und Institutionen in den internationalen Beziehungen. Sie betrachten die Bedeutung von Kooperation, Diplomatie, Handel und die Förderung von zwischenstaatlichen Beziehungen.
- Hauptannahme: Idealisten und Liberale betonen die Möglichkeit internationaler Zusammenarbeit, Institutionen und zwischenmenschlicher Verbindungen. Sie glauben an die Förderung von Werten wie Demokratie und Menschenrechten.
- Friedensbetrachtung: Frieden wird durch die Verbreitung von Demokratie, internationalen Handel und Zusammenarbeit in internationalen Organisationen gefördert.
- Sicherheit: Sicherheit wird durch Kooperation, Diplomatie und den Abbau von Spannungen erreicht. Liberale Institutionen wie die Vereinten Nationen spielen eine zentrale Rolle.
- Konfliktursachen: Konflikte entstehen oft aus Missverständnissen oder fehlender Kooperation, die durch Dialog und Zusammenarbeit gelöst werden können.
- Historische Quellen: Der Idealismus und der Liberalismus ziehen ihre Wurzeln aus Aufklärungsphilosophie und dem Ideal einer gerechten und friedlichen Weltordnung. Die Ideen von Philosophen wie Immanuel Kant, insbesondere sein Werk “Zum ewigen Frieden”, haben den Liberalismus stark beeinflusst.
- Theoretische Grundlagen: Theoretiker wie Woodrow Wilson, der den Völkerbund förderte, und Norman Angell, Autor von “Der Große Illusion”, betonten die Möglichkeit internationaler Kooperation und die Vorteile eines friedlichen, demokratischen Systems.
Institutionalismus:
- Gegenstand: Diese Theorie untersucht, wie internationale Institutionen funktionieren und wie sie zur Schaffung von Vertrauen, Kooperation und Konfliktlösung beitragen. Institutionen wie die Vereinten Nationen, die Welthandelsorganisation (WTO) und bilaterale Abkommen sind zentrale Untersuchungsobjekte.
- Hauptannahme: Der Institutionalismus konzentriert sich auf die Rolle internationaler Institutionen und Normen bei der Schaffung von Frieden und Sicherheit. Institutionen helfen, Kooperationsprobleme zu lösen.
- Friedensbetrachtung: Frieden wird durch die Schaffung von internationalen Regeln und Normen, die Konflikte verhindern oder lösen, gefördert.
- Sicherheit: Internationale Institutionen dienen als Mechanismen zur Konfliktvermeidung und -lösung. Vertrauen und Kooperation werden durch diese Institutionen gefördert.
- Konfliktursachen: Konflikte können durch mangelnde Kooperation oder durch Verstöße gegen internationale Normen und Regeln ausgelöst werden, die von internationalen Institutionen aufrechterhalten werden.
- Historische Quellen: Der Institutionalismus entwickelte sich als Reaktion auf die Erfahrungen des Ersten und Zweiten Weltkriegs sowie auf die Enttäuschungen bezüglich des Versagens des Völkerbundes. Die Erfahrungen mit internationalen Organisationen dienten als wichtige historische Quellen. Frühe Einflüsse gehen vom niederländischen Rechtsgelehrten Hugo Grotius aus, der bereits im 16. Jahrhundert die Idee einer völkerrechtlichen Regulierung und die eines internationalen Rechtssystems vorantrieb.
- Theoretische Grundlagen: Theoretiker wie Robert Keohane und Joseph Nye, die das Konzept der “Komplexen Interdependenz” entwickelten, sowie Theorien über Regimewandel und internationale Institutionen prägten den Institutionalismus.
Zusammengefasst
Es ist wichtig zu beachten, dass jede dieser Theorien im Laufe der Zeit von verschiedenen Denkern und Strömungen weiterentwickelt und angepasst wurde. Diese Quellen stellen jedoch die grundlegenden intellektuellen Wurzeln und historischen Hintergründe dar, auf denen die Theorien der internationalen Politik beruhen.
Zusammenfassend gesagt, beschäftigt sich der Realismus hauptsächlich mit den Macht- und Sicherheitsaspekten der internationalen Politik, während Idealismus/Liberalismus die Bedeutung von Werten und Kooperation betonen. Der Institutionalismus fokussiert sich auf die Rolle von Institutionen und Regeln in den internationalen Beziehungen. Die Wahl einer bestimmten Theorie hängt oft davon ab, welche Aspekte der internationalen Politik analysiert werden sollen und welcher theoretische Rahmen am besten geeignet ist, um diese Aspekte zu erklären.